Jedes Jahr freue ich mich wieder auf die Adventszeit mit ihren wunderbaren Lesungstexten. Dabei bin ich jedes Mal in ganz besonderer Weise berührt durch die Worte des Propheten Jesaja, der einem durch die babylonische Gefangenschaft gezeichneten Volk Israel wieder Hoffnung und Zukunft verheißt.
Die alttestamentliche Lesung des 3. Adventssonntages ist dabei einer meiner Lieblingstexte:
Jubeln werden die Wüste und das trockene Land,
jauchzen wird die Steppe und blühen wie die Lilie.
Sie wird prächtig blühen
und sie wird jauchzen, ja jauchzen und frohlocken.
Die Herrlichkeit des Líbanon wurde ihr gegeben,
die Pracht des Karmel und der Ebene Scharón.
Sie werden die Herrlichkeit des Herrn sehen,
die Pracht unseres Gottes.
Stärkt die schlaffen Hände
und festigt die wankenden Knie!
Sagt den Verzagten: Seid stark,
fürchtet euch nicht!
Seht, euer Gott!
Er selbst kommt und wird euch retten.
Dann werden die Augen der Blinden aufgetan
und die Ohren der Tauben werden geöffnet.
Dann springt der Lahme wie ein Hirsch
und die Zunge des Stummen frohlockt.
(Jes 35, 1–6b)
Gerade in diesem Jahr habe ich nochmals einen ganz besonderen Zugang dazu, kamen mir die vergangenen Jahre der Pandemie doch bildlich gesprochen wie der Weg durch eine Wüste vor: Begrenzte Kontakte, zunächst Gottesdienstverbot, monatelang nur Homeoffice, später dann eingeschränkte Gottesdienste mit Singverbot und im Kirchenchor nur Online-Proben. Für Viele war es eine einsame Zeit.
Und doch im Rückblick muss ich feststellen, auch in dieser Zeit hat die Wüste Blüten getrieben, ganz wenige zunächst, kaum wahrnehmbar und dann immer mehr. Da waren die frohmachenden Begegnungen und kurzen Gespräche während der Ordnerdienste – viele Gottesdienstbesucher kenne ich jetzt mit Namen. Da waren die vielen Gottesdienste, die wir in wechselnden Kleingruppen während der Zeit des Singverbots musikalisch mitgestalten durften, schließlich das Strahlen der Kinder bei den Erstkommunionfeiern und da war mit der Zeit noch so Vieles mehr – Hoffnungszeichen in einer dunklen Zeit.
Was bleibt ist die wunderbare Erkenntnis: Gott war da in dieser Zeit. Er hat uns begleitet in all unseren Diensten. Er hat unsere manchmal müden Hände gestärkt, uns nicht verzagen lassen und Kraft gegeben. Und, davon bin ich überzeugt, er wird dies auch weiterhin tun.
Und so ist diese Prophezeiung des Jesaja für mich mehr als nur eine Vision für die Zukunft. Mir haben die letzten Jahre deutlich gemacht: Vieles von dem, was hier gesagt wird, kann schon heute Wirklichkeit werden, wenn wir der Zusage dieser Worte trauen: „Seht euer Gott! Er selbst wird kommen und euch retten“
Und tatsächlich: es wird uns verheißen, dass Gott ein neues Sehen und Hören, Sprechen und Gehen schenken wird. Das sind neue Möglichkeiten, die Wahrheit und die Wirklichkeit Gottes, die Hoffnung, Heilung und Zuversicht schenken, bereits im Hier und Jetzt zu erfassen und weiterzugeben – auch und gerade in den Dunkelheiten dieser Zeit.
Mögen Sie diese Gedanken begleiten auf dem Weg auf Weihnachten zu und Ihnen so wie mir Hoffnung und Zuversicht schenken. Ihnen allen noch eine frohe und gesegnete Adventszeit!
Ulrich Göbel, 59 Jahre, Wortgottesdienstleiter und Sänger im Kirchenchor
