Gedanken zur Fastenzeit
“Wenn du nicht fastest, siehst du das Geheimnis nicht." So lautet ein afrikanisches Sprichwort, das ich in einem Fastenkalender gelesen habe. Dieses Sprichwort passt für mich sehr gut für die Fastenzeit. Worauf gehen wir denn zu, worauf bereiten wir uns vor in der Fastenzeit? Und um welches Geheimnis geht es denn?
Wir gehen auf Ostern zu, auf das Geheimnis von Auferstehung und neuem Leben. Das Fasten kann uns helfen, einen besseren Blick und mehr Aufmerksamkeit zu bekommen für dieses Geheimnis.
Was ist jetzt aber wiederum gemeint mit diesem Begriff ,,Fasten"? Eines ist ganz klar: Fasten bedeutet wesentlich mehr, als weniger oder nichts zu essen. Ich will in diesem Impuls versuchen, mich von verschiedenen Seiten diesem Wort Fasten und der Bedeutung des Fastens anzunähern.
Von der Benutzeroberfläche in die Tiefe gehen
Mir kommt da zuerst ein bestimmtes Bild in den Kopf, auf das ich vor einiger Zeit gestoßen bin. In diesem Bild sind eine Menge übereinander aufgehäufte Edelsteine oder zumindest Halbedelsteine zu sehen. So macht es zumindest den Eindruck. Der Begleitkommentar zu dem Bild fasziniert mich. Denn bei dem Bild handelt es sich um nichts anderes als um einen stark vergrößerten Ausschnitt von einem ganz gewöhnlichen Sandstrand: fünf Millimeter im Quadrat von einem Sandstrand. Aus dem gewöhnlichen Sandkorn wird ein Edelstein, wenn man genau hinschaut und es aufmerksam betrachtet.
Es geht also beim Fasten um so etwas wie eine Tiefenschärfe, um das genaue Hinschauen, um im oftmals Unscheinbaren das Besondere zu entdecken. Dazu will uns das Fasten verhelfen: dass wir von der ,,Benutzeroberfläche" unseres Lebens in die Tiefenschärfe gehen.

Die Kostbarkeiten und Verheißungen unseres Lebens entdecken
Die Fastenzeit lädt uns ein, das eigene Leben ,,unter die Lupe" zu nehmen und es in seiner Schönheit und Kostbarkeit zu entdecken. Die Fastenzeit will uns hinführen an das Potential unseres Lebens und an die echten Quellen unserer Lebenskraft. Fasten ist also ein ganzheitlicher Prozess mit Körper, Geist und Seele - mit einer großen Perspektive hin auf Ostern, hin auf ein Fest des Lebens. Diesen Prozess mit Körper, Geist und Seele habe ich vor einigen Wochen in Rom erlebt. Obwohl ich im Rahmen der Messdiener-Wallfahrten schon einige Mal dort gewesen bin, ist es für mich immer wieder „Balsam für die Seele“, die vielen wunderschönen und prächtigen Gotteshäuser zu betreten. Hier bin ich Gott nahe, hier fühle ich mich geborgen und ich tanke meine Lebenskraft auf.

Wüstenerfahrungen
Fasten heißt aber auch: Reduktion auf das Wesentliche. Sehr eindrücklich sehen wir das auch in der Bibelstelle von der Versuchung Jesu in der Wüste (Mt 4,1-11). Jesus geht für 40 Tage in die Wüste bzw. er wird ,,vom Geist getrieben", wie es da heißt.
Das Bild der Wüste kann manches deutlich machen: Die Wüste zwingt zur Reduktion. Die Trockenheit duldet nichts Überflüssiges. Wer zu viel mitschleppt, wird nicht weit kommen.
Reduzieren bedeutet wörtlich ,,zurückführen": zur Quelle des Lebens, zu dem, was wirklich wichtig ist.
In der Wüste muss man mit leichtem Gepäck unterwegs sein. Alles Untragbare muss man zurücklassen, sonst wird es unerträglich. Sich vom Überflüssigen trennen.
Das Wenige aber bekommt auf einmal einen besonderen Glanz. Wenn wir die Fastenzeit mit einem Weg durch die Wüste vergleichen, so könnte darin eine Einladung liegen, das Einfache wieder zu entdecken und schätzen zu lernen. Das Geheimnis der Wüste besteht darin, dass ich das Wenige umso intensiver erlebe. Wer lernt, das Wenige zu verkosten, der erführt, wie köstlich etwa ein Schluck kühlen Wassers aus einem Brunnen schmeckt. Es geht beim Fasten also darum, den Geschmack des Lebens neu zu entdecken oder wieder zu finden.
Begegnung mit dem Dunklen und dem Schatten
Schauen wir wieder auf die Bibelstelle: Wir hören da, dass Jesus in der Wüste, vom Satan in Versuchung geführt" worden ist. Es ist ein Bild, das uns sagen will, dass es beim Fasten auch zu einer Begegnung mit dem Dunklen und den Schatten kommen kann.
Fasten bedeutet also auch das anzuschauen, was dunkel ist in mir, was ich aber auch bin, was auch zu mir gehört. Da komme ich mit dem in Berührung, wo meine Lebendigkeit verkümmert und ich mich nicht mehr entfalten kann, wo ich mir selber oder anderen schade.
So wie bei Jesus in der Wüste kann das Fasten mit besonderen inneren Erfahrungen und Wandlungen verbunden sein. Nach der Auseinandersetzung mit dem Dunklen kommt es zu Erfahrungen des Hellen und Lichten: ,,Darauf lief der Teufel von ihm ab und es kamen Engel und dienten ihm." - heißt es da weiter im Evangelium.
Eine Veränderung im Innen
Wenn uns das in der Fastenzeit gelingt, dass wir unsere Lebensquellen aufspüren und fließen lassen und dass wir unsere Schattenseiten sehen und annehmen lernen, dann gilt, was der geistliche Autor Anthony de Mello in einem seiner Bücher schreibt:
„Dabei geht in mir eine Veränderung vor.
Während um mich her alles gleich bleibt:
die Welt, meine Familie, meine Gefühle, mein Leib, meine Nerven, bin ich nicht mehr derselbe.
Ich bin nun gütiger geworden, nehme Unerwünschtes leichter an.
Ich bin auch friedfertiger, weil ich eingesehen habe,
dass man keine dauerhafte Veränderung mit Gewalt erreichen kann, sondern nur mit Liebe und Verstehen.“
